Fast eine Kreuzfahrt:

Mit der ‚Acapulco‘ von La Rochelle nach Vilamoura, Algarve

„Fortsetzung“ des Berichtes von Familie Babinski im Bullauge 40, von Karsten S. Möller

(„Mitsegelnder“ Freund der Familie Babinski)

„Ich war noch nie in Portugal“ dachte ich, als mir im Herbst letzten Jahres ein Flyer eines Reiseunternehmens ins Haus flatterte, das eine zehntägige kombinierte Flug- und Busreise kreuz und quer durch Portugal anbot, natürlich mit allen Sehenswürdigkeiten und als Option eine Erholungswoche im Hotel Vila Gale direkt am Strand bei Lagos. Wir haben nicht lange überlegt. Buchen, Frühbucherrabatt ausnutzen und schon waren wir ein halbes Jahr später - im April 2014 - auf einer anstrengenden Bildungsreise in Portugal, mit anschließendem Relaxen an der Algarve bei langen Wanderungen im warmen Sonnenschein am menschenleeren Strand Praia S. Roque, mutigen Sekundenbädern im eiskalten Atlantik und abendlichem Rotweintrinken am Pool. Wie sollte ich ahnen, dass ich 8 Wochen später wieder auf den Weg in das mir so lange Zeit unbekannte Land sein würde. Diesmal auf dem Seewege an Bord der SY ‚Acapulco‘.

Sonntag, 15. Juni 2014, La Rochelle – auf See.                                 Der alte Hafen Vieux Port mit seinen ihn bewachenden Türmen Tour St. Nicolas und Tour de la Chaine zwischen denen im Mittelalter eine Kette gespannt wurde um Feinde abzuwehren, die pittoreske Altstadt, wo wir gestern noch einige Biere am Quai Duperre und Cours des Dames getrunken haben, liegen hinter uns. Wir, das sind Skipper Charly, First Mate Bajo, mein langjähriger Mitsegler Josef aus Bayern und der Chronist. Ich stehe am Ruder der ‚Acapulco‘ und bemühe mich die Schlangenlinien des Kielwassers nicht allzu weit ausschlagen zu lassen. Die ungewohnte Radsteuerung, die lange Atlantikdünung und die Größe der Yacht - die ‚Acapulco‘ ist 17,3 m lang, 4 m breit und verdrängt 26 t - machen das nicht gerade einfach. Dafür ist es unter Deck riesig. Ein Salon in dem man tanzen kann, eine Pantry fast so groß wie zu Hause und für jeden eine eigene Kabine mit Badezimmer und Dusche. Sogar eine Badewanne gibt es.

Montag, 16. Juni 2014, auf See                                                                Wir segeln genau vor dem Wind. Der oberschenkeldicke und - gefühlt - tonnenschwere Spinakerbaum ist nach vorn gewuchtet, Schot, Niederholer und Topnant eingepickt und dann, ein Knopfdruck und die riesige Genua wird ausgerollt. Ein Manöver, das wir noch häufig wiederholen werden und das ohne Hydraulik gar nicht möglich wäre. Unser Kurs führt uns quer über die Biscaya nach Nordspanien. Der Wind weht kräftig, mit harten Böen. Die Wellen werden höher und höher, brechen sich in unserem Kielwasser, weiße Schaumkronen türmen sich auf und drücken die ‚Acapulco‘ mal nach Lee, mal nach Luv in tiefe Wellentäler. Die See wird rauer. Wir sind auf dem Atlantik, das ist deutlich zu spüren. Wir machen Rauschefahrt. Die Freiwache bringt Kojensegel aus.

Dienstag, 17. Juni 2014, von See - Ribadeo                                        Nach zwei grauen Tagen und zwei dunklen Nächten - Neumond ist gerade vorbei - taucht die hohe, bergige Küste Galiciens auf, geprägt von schroffe Kaps, senkrecht abfallenden Steilküsten und schmalen, langen und tief in das Land einschneidenden Meeresbuchten, den sogenannten Rias. Nach 306 nm laufen wir in die Ria de Ribadeo ein. Landfall an unbekannter Küste ist immer aufregend. Der Mündungstrichter des Rio Eo verjüngt sich sehr schnell und das Flach Banco de la Carabela zwingt das unbetonnte Fahrwasser hart nach Steuerbord, dicht an wellenumtosten, braunen Klippen entlang. Harter Strom setzt von vorn. Das Fahrwasser wird immer enger. Rechts hoher Fels, das Castillo San Domain droht von oben, und links der umgurgelte Pfeiler der 30m hohen Puente de Los Santos geben nur eine enge Durchfahrt frei. Bajo steht am Rad und steuert die ‚Acapulco‘ mit ruhiger Hand durch die Enge. „Alter Schwede!“ sagt er und atmet durch.

Ribadeo ist ein hübsches Städtchen; unser erster Landgang auf spanischem Boden. Hügelauf und hinab, durch enge Gassen der Altstadt mit beeindruckend hohen, alten Häusern aus Naturstein, durch hübsche Parks und über großzügige Plätze führt uns unser Weg in ein kleines, fast leeres Lokal.

Der Wirt, weder der deutschen noch der englischen Sprache mächtig, bemüht sich sehr und serviert uns abwechslungsreiche spanische Spezialitäten, die wir anfänglich misstrauisch beäugen, dann aber mit Genuss verzehren.

Mittwoch, 18. Juni 2014, Ribadeo – Ria de Cedeira                        Die Rias, ehemalige durch den Anstieg des Meeresspiegels jetzt überflutete Flusstäler, bieten viele Ankermöglichkeiten und so ist unser nächstes Ziel die Ria Cedeira. Der immer noch kräftige NE-Wind lässt uns schnell die 60 nm hinter uns bringen, aber das Ankermanöver in der übervollen Bucht erfordert unser aller Aufmerksamkeit, als der Wind stürmisch auffrischt und mit über 7 Bft. die Berghänge herunter fegt. Kaum hat der Anker gefasst, endlich nach drei vergeblichen Versuchen mit 50m Kette, taucht die Küstenwache auf, lässt ein Schlauchboot zu Wasser, kommt längsseits und kontrolliert Crewlist und Schiffspapiere. Aber alles nett und freundlich und alles ist o.k.

 

Donnerstag, 19. Juni 2014, Ria de Cedeira – A Coruna                  Wir sind in A Coruna. Das berüchtigte Cabo Ortegal, bei Westwind schwierig zu umschiffen, tat uns nichts. Wir fuhren mit ausgebaumter Genua daran vorbei. Beim Einlaufen in die Ria der A Coruna begrüßte uns an Steuerbord der Torre de Hercules, ein römischer Leuchtturm, um 110 n. Chr. vom römischen Kaiser Trajans gebaut, 68 m hoch und der älteste noch in Betreib stehende Leuchtturm der Welt. Jetzt liegen wir gut vertäut an der Reception Berth im Darsena de la Marina, dem alten Yachthafen, mitten in der Stadt. Diese Reception Berth gibt es in vielen Marinas; eine praktische Einrichtung. Kaum läuft man in den Hafen ein, erscheint der Hafenmeister, winkt einen heran, nimmt die Leinen an, kontrolliert die Papiere - und kassiert das nicht geringe Hafengeld. Eigentlich wird dann ein Liegeplatz zugewiesen, aber die große ‚Acapulco‘ konnte in vielen Häfen die wir anliefen, immer am Empfangssteg liegen bleiben.

 

Freitag, 20. Juni 2014, Santiago de Compostela                                              „Ich bin dann mal weg!“ Nein, wir sind dann mal weg. Ich weiß nicht mehr wer die Idee hatte, wahrscheinlich mein Freund Josef aus Regensburg, gläubiger Christ und praktizierender Katholik, wie ich immer von ihm sage. Jedenfalls war plötzlich Santiago de Compostela im Gespräch. Da sollten wir doch mal hinfahren, wenn wir schon hier sind und weit ist es auch nicht, wir müssen ja auch nicht pilgern. Das taten wir auch nicht, nur am Anfang. Nach einem langen Fußmarsch die Avenida Marina mit ihrer beeindruckenden Front von Galeriehäuser entlang und weiter, immer weiter kommen wir endlich zur Estacion de San Christobal, den Bahnhof, und ein sehr eleganter Schnellzug bringt uns in einer halben Stunden nach Santiago de Compostela. Die Stadt ist benannt nach Jakobus d. Ä. (Santiago, Sant Jago, lat. Sanctus Iacobus, dtsch. Heiliger Jacob), einer der 12 Jünger Jesu, der im Jahre 43 durch Herodes geköpft wurde und dessen Gebeine in der dortigen Kathedrale aufgebahrt sind.

In der Tourist-Information, erhalten wir einen Touri-Stadtplan und die eingezeichnete Pfeillinie führte uns kreuz und quer durch die beeindruckende Altstadt, zu allen Sehenswürdigkeiten, durch quirlige Markthallen, durch schmale Gässchen, zur Universität, am Hostal dos Reis Catolicos vorbei, seit 1509 Herberge für Pilger, und schlussendlich über die Rua de San Francisco auf den, von Touristen und Pilgern überquellenden Praza do Obradeiro, zur Kathedrale. Wanderer mit langem Stab und Rucksack in schweren Stiefeln; Radfahrer, ihre Räder schwer mit Gepäck beladen; Rollstuhlfahrer; Touristen, Japanerinnen mit ihren landestypischen Sonnenhütchen, bevölkern den Platz und alle haben sich die Jakobsmuschel angeheftet, die seit dem 11. Jh. Symbol der Jakobspilger ist. Die Kathedrale ist imposant, düster aber prächtig, im Jahre 1077 war Baubeginn, den Reliquienschrein finden wir in einem engen Durchgang mit dicken Gitterstäben gesichert. Mi Visita A Jesus Sacramento.

Abends, zurück in A Caruna finden wir an der Plaza de Maria Pita ein Lokal wo wir zu Abend essen und der deutschen Fußballmannschaft beim Siegen zuschauen, während von einer Bühne auf dem nahen Platz Popmusik herüber dröhnte. Die Plaza de Maria, eingerahmt von beeindruckenden

 

Palästen, ist benannt nach der ‚Bürgerin‘ Maria Pita die 1589 in der vordersten Front stand um einen Angriff eines englischen Flottenverbandes unter Sir Francis Drake erfolgreich abzuwehren.

 

Sonnabend, 21. Juni 2014, A Coruna – Muxia                                    Am nächsten Tag beim Auslaufen sehen wir an Steuerbord in einer Bucht der Ria A Coruna die Stadt Ferrol, wo 1588 die spanische Armada auf ihrem Weg nach England Station machte. Wie es den Spaniern dort erging ist bekannt. Drake hatte an dem unrühmlichen Ende der Armada maßgeblich Anteil.

Der Tag ist sonnig, aber schwachwindig, wir müssen häufig motoren. Wenn ein 6-Zylinder mit 160 PS tief unten im Schiff vor sich hin brummt und die Selbststeueranlage die ‚Acapulco‘ schnurgerade über das stille Meer fährt und man hin und wieder ein kühles Bier in der Hand hat, kann man singen „… eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön.“ Unser Kurs ist erst W, dann, hinter der Isla Sisargas SW. Wir verlassen die Biscaya und haben den Atlantik vor uns. Delfine haben sich eingefunden und umspielen die Yacht. Früh sieht man ihre Rückenflossen zwischen den Wellenkämmen, weit weg noch, aber dann schwimmen sie mit großem Tempo auf uns zu, schießen kreuz und quer unter dem Schiff durch, schwimmen hin und her, vor und zurück, springen hoch in die Luft, vollführen dabei einen kleiner Dreher um dann laut wieder in die See zu klatschen. Man könnte denken sie sehen unsere Fotoapparate und wollen auf sich aufmerksam machen. Nach diesen Spielereien sammeln sie sich für eine Weile am Bug, reiten auf der Bugwelle und plötzlich sind sie alle verschwunden. Bis eine neue Gruppe kommt.

In der Ria de Camarinas laufen wir den kleinen Hafen Muxia ein. Es ist Sonnabend und die kleine Stadt hat sich für ein Hafenfest herausgeputzt. Eine Freiluftbühne ist aufgebaut, eine Kapelle spielt, eine Sängerin bemüht sich gegen den Lärm der Straße anzusingen. Wir wollen aber Fußball sehen. Charlie, Fußballfan, hat Tabellen und Kalender mit, weiß, wer wann gegen wen spielt, und so wird  der Verlauf unserer weiteren Reise von der Möglichkeit Fußball zu sehen bestimmt.

Deutschland gewinnt, Charlie reißt die Arme hoch und Bajo sagt: „Alter Schwede!“ Das Essen in dem kleinen Lokal war sehr spanisch und gut.

 

Sonntag, 22. Juni 2014, Muxia – Ria de Muros                                  Das Wetter bleibt schön. Etwas mehr Wind hätten wir gerne, der Portugiesische Norder hat sich noch nicht eingestellt, aber wir sagen uns, lieber zu wenig Wind, als zu viel. Wir segeln am Cabo de Finisterre (lat. finis terrae ‚Ende der Erde‘) vorbei. Ruhig liegt es da im Sonnenschein, es ist 247m hoch mit einem kleinen Leuchtturm darauf. Ich habe es mir beeindruckender vorgestellt, drohender, von Wellen umtost. Abends lassen wir vor Muros, inmitten von Shellfish Beds (Muschelzuchtanlagen) den Anker fallen.

Charly serviert zum Abendessen vorzügliches Rührei; mit Knoblauchsalz. Deshalb so lecker, sagt er. In gemütlicher Runde danach trinken wir Rotwein und Bier, klönen und geben Döntjes zum Besten. Josef erzählt Geschichten aus dem bayerischen Wald, erzählt vom Volkstanz, er in Krachlederner mit Hirschfänger und seine Monika im maßgeschneiderten Dirndl und von anderen Absonderlichkeiten die das Leben im Freistaat so mit sich bringt. „Alles ganz lustig“, sagt Charly, „Alter Schwede“ sagt Bajo und beide gehen an Deck einen Zigarillo rauchen, nicht ohne sich vorher ihren abendlichen Absacker Cola Rum eingeschenkt zu haben.

 

Montag, 23. Juni 2014, Muros - Baiona                                                Die tief ins Land einschneidende Ria de Muros liegt hinter uns. Wir steuern wieder unseren Generalkurs Süd. Nach Passieren des Cabo Corrubedo zieht sich die Küste an Backbord weit zurück. Die riesige Ria de Arosa und die Ria de Pontevedra gehen in einander über. Das Wetter ist grau geworden, die Sicht nicht mehr so gut. Wir halten auf die Islas Cies zu, die der Ria de Vigo vorgelagert sind. Einige Klippen und die ausgedehnte Untiefen Las Serralleiras machen sorgfältiges Navigieren erforderlich. Baiona liegt ganz im Südwesten der Ria de Vigo und nach umrunden der Halbinsel Monte Real, mit der gleichnamigen Festung darauf, ankern wir vorm Monte Real Club de Yates.

 

Dienstag, 24. Juni 2014, Bayona  – Povoa de Varzim                      An Steuerbord weht inzwischen die Flagge Portugals, in den Farben Grün-Rot, mit goldener Armillarsphäre und Wappenschild. Die Küstenlinie ist eintöniger geworden. Keine Rias, keine Kaps. Steilküste wechselt sich mit kilometerlangen, menschenleeren Sandstränden ab. Wir steuern bei leichtem, achterlichen Wind südwärts. Der Atlantik macht sich bemerkbar. Langgestreckte Dünung kommt von West heran und lässt die ‚Acapulco‘ manchmal heftig rollen. Einer der drei Kühlschränke geht auf und ergießt seinen Inhalt in den Salon. Es ist nur der Getränkekühlschrank, aber es ist nicht leicht die umherrollenden Bierdosen wieder einzufangen.

Unser erster portugiesischer Hafen ist Povoa de Varzim, ein, auf den ersten Blick ein wenig einladender, Fischereihafen mit einer nicht sehr gepflegten Marina. An Land stehen viele, aufgebockte, heruntergekommene und beschädigte Yachten, die ihrem langsamen Tod entgegensehen. Aus England, Frankreich, Spanien, aus Skandinavien und eine auch aus Kiel, sind sie nur bis hierhergekommen. Ausgeträumte Träume.

Wir müssen uns Verprovientieren und finden in Hafennähe einen kleinen Supermarkt, der alles hat was wir benötigen. Der anschließende Spaziergang durch die Altstadt, durch belebte Einkaufsstraßen bis hinunter an die Strandpromenade zeigt uns eine kleine hübsche Stadt mit Spielcasino, langem Badestrand, vielen Touristenattraktionen und vielen Restaurants. Am Largo do Passeio Alegro, direkt am Meer, lädt uns ein Wirt durch heftige Armbewegungen und Stühle-zurecht-rücken zur Einkehr ein. Wir sitzen draußen unter Palmen und trinken Wein, während seine kleine, schwarzgelockte Tochter im rosa Rüschenkleid und auf Rollschuhen unseren Tisch unentwegt lärmend umkreist und uns dabei nicht aus den Augen lässt. Der linkische Sohn des Wirts bemüht sich währenddessen, uns portugiesische Spezialitäten zu servieren. Er bringt eine Assa Chourico, eine kleine keramische Tischgrillschale, in der die Flammen des darin brennenden Aquadente die Chourico, die hier typische Wurst aus Schweinefleisch und Paprika, umlodern. Es qualmt und zischt, Fett spritz umher, ich spüre es auf meinen nackten Unterarmen und sehe es auf meinem bisher makellosen Polohemd. Toll! Die Wurst und auch die anderen Speisen schmecken trotzdem.

 

Mittwoch, 25. Juni 2014, Pavoa de Varzim – Leixoes/Porto       Unser nächstes Ziel ist Porto, aber da Porto keinen geeigneten Yachthafen hat, steuern wir Leixoes an, den vorgelagerten Seehafen Portos und wichtigsten Handelshafen Portugals. Da uns Charly jeden Tag morgens ums sechs durch heftiges Hämmern gegen die Schotten weckt, sind wir schon um halbsieben auf See und haben die 20 nm nach Leixoes schnell hinter uns gebracht. Ölpiers auf der einen Seite, Containerbrücken auf der anderen vermitteln beim Einlaufen kein heimeliges Gefühl und als dann noch hinter uns die haushohen Wände eines Grimaldi-Schuhkartons auftauchen, sind wir froh in den kleinen Yachthafen mit dem großartigen Namen ‚Marina Porto Atlantico‘ flüchten zu können, der, hinter eine mit Algen und Seetang bewachsenen Mole, in ein ehemaliges Hafenbecken gequetscht wurde. Charly gelingt es mit unglaublichem Geschick, die ‚Acapulco‘ an den, vom Hafenmeister zugewiesenen, viel zu kurzen Fingersteg im viel zu engen Teil des Hafens zu manövrieren. Segler aus Deutschland, Schweden, England und Frankreich haben Hafenkino.

Wir machen uns auf den Weg nach Porto, der Stadt, der Portugal seinen Namen verdankt, Portucale, hergeleitet von den Zwillingsstädten links und rechts der Douromündung, die die Römer Cale und Portus nannten.

Während wir uns noch bemühen an der Bushaltestelle aus den Fahrplänen der verschiedenen Buslinien schlau zu werden, hat Charly eine Taxe bestellt. Bordkasse! In der Altstadt, am Palacio da Bolsa, bei der Statue des Infante Dom Henrique, (Heinrich der Seefahrer, 1394 in Porto geboren), springen wir aus der Taxe, schlendern die Rua Mouzinho Silveira hinauf bis zum Bahhof Estacio de Sao Bente, bewundern in der Eingangshalle die, auf azulejos, den typischen portugiesischen blauen Kacheln, abgebildeten historischen Szenen und kommen zum Praca da Libertade, dessen Mitte eine Reiterstatue Pedros IV ziert, und der durch die beeindruckende Camara Municipal do Porto, dem Rathaus, abgeschlossen wird. Wir schlendern durch die Rua das Flores und enge Straßen

 

und Gassen zurück, runter zum Douro (dem goldenen). Leider finde ich das plüschige, herrlich altmodische Cafe nicht wieder, wo es wunderbaren Kuchen gibt und die schwarzgekleideten Kellner Fliegen tragen. An der Rua Cais Ribeira wo sich ein Lokal an das andere reiht und das Leben tobt, finden wir in einer Taberna einen Tisch mit Blick auf den Douro, auf die doppelstöckige Brücke Ponte Dom Luis I und auf den gegenüber liegenden Stadtteil Vila Nova de Gaia mit seinen vielen Portweinkellereien. Bekannte Namen lesen wir: Ferreira, Graham, Cockburn’s, Burmester und Sandeman. Die Engländer verbindet eine lange Geschichte mit dem Portwein. Schon im 15. Jh. sollen englische Kaufleute am oberen Douro herausgefunden haben, dass der süße Douro-Wein durch Zugabe von Weinbrand viel besser längeren Seereisen standhielt. So soll der Portwein entstanden sein. Am Ufer dümpeln einige buntbemalte barcos rabelos, die flachen Segelboote die einst, hochbeladen mit Weinfässern, den gefahrvollen Douro runter segelten, aber heute nur noch Touristen Rundfahrten anbieten. Der Wirt offeriert frischen Fisch. was sollte man auch anderes essen? Dazu trinken wir ‚grünen‘ Wein, Vinho Verde, den jungen, frischen, leicht moussierenden Wein aus der Provinz Minho, der Nordwestecke Portugals, der nicht an Rebstöcken wächst, sondern sich wie wilder Wein an Häusern, Bäumen und sogar an Telefonmasten hochrankt.

 

Donnerstag, 26. Juni 2014, Port/Leixoes – Figueira da Foz          Wir sind wieder auf See, ein guter NNW-Wind treibt uns südwärts, bringt aber auch Dünung mit. Da wir ja immer schon morgens um sechs aus der Koje getrommelt werden, frühstücken wir meistens unterwegs, draußen im Cockpit. Heute geht es schief. Eine Welle, kaum sichtbar, hebt die ‚Acapulco‘ an, lässt sie weit nach Backbord überholen und räumt den Frühstückstisch ab. Und ich bin der, der dort sitzt. Tassen, Teller, Bestecke, Butter und Marmelade und mein heißer Tee, alles ergießt sich in meinen Schoß.

Portugals Westküste ist kein gemütliches Segelrevier; 300 nm lang von Nordspanien bis Cabo de Sao Vicente, rau, felsig und schutzlos dem Atlantik ausgeliefert. Nur acht Häfen stehen Yachten zur Verfügung und bei stürmischem Wetter sind viele davon nicht anzulaufen und werden, wegen schwerer Grundseen in den Einfahrten, gesperrt. Im April letzten Jahres wurde die Hamburger Yacht ‚Meri Tuuli‘ , eine X-442, in der Einfahrt nach Figueira da Foz bei nur frischem SW (20 - 25 kn) an der 10 m-Linie von einer 5 bis 6 m hohen Grundsee erfasst, schlug quer und kenterte soweit durch, dass der Mast brach. Ein Besatzungsmitglied und ein Seenotretter kamen ums Leben.

Wir laufen Figueira da Foz bei ruhigem Seegang und Sonnenschein an und machen an der Reception Berth fest um einzuklarieren und um Diesel zu bunkern. Das Einklarieren geht schnell. Dem Hafenmeister liegen unsere Schiffs- und Crewdaten bereits vor. Da wir immer nach unserem nächsten Zielhafen gefragt werden, werden unsere Daten scheinbar von einem Hafen zum anderen weitergereicht.

Fugeira da Foz, an der Mündung des Rio Mondego gelegen, hat einen großen Fischereihafen mit Werft und ist ein bekannter Badeort mit endlosen Sandstränden. Die Marina ist durch Molen gut geschützt gegen den Schwell der ständig ein- und auslaufenden Fischkutter. Abends gibt es Fußball, Deutschland gewinnt - Charly reißt die Arme hoch und Bajo sagt, „Alter Schwede“ - so bleibt uns nur wenig Zeit die Stadt kennenzulernen.

 

Freitag, 27. Juni 2014, Figueira da Foz – Peniche                             Wir werden vom Wetter verwöhnt. Kein Sturm, kein Regen, dafür Wärme und Sonne und der Nortada, der Portugisiche Norder, der durchaus mit 4 -6 Bft. wehen kann, treibt uns mit sanfter Brise an langen Sandstränden, Pinienwäldern und steilen Felsküsten südwärts. An Steuerbord tauchen die Ilha Berlenga auf, ein in früherer Zeit gefürchteter Schiffsfriedhof, und links die hohe Halbinsel Peniche, mit dem schroffen Cabo Cavoeiro, das wir in sicherem Abstand umrunden. Im Hafen von Peniche finden wir einen guten Liegeplatz in der sehr kleinen Marina hinter der Westmole, einem Gebirge aus Tetrapoden, und in Sichtweite der, aus dem 16. Jh. stammenden und als Schutz gegen Seeräuber errichteten Festung Forte de Peniche. An dem langen Steg liegen schon eine französische und eine englische Yacht, denen wir schon mehrfach begegnet sind und ein ebenfalls bekannter Schwede macht hinter uns fest. Portugal ist für Yachten nicht das Ziel, sondern der Weg .Das Mittelmeer ruft.

 

Peniche war früher eine steile Felsinsel, die im Laufe der Jahrhunderte mit dem Festland zusammenwuchs. Es gibt deshalb die obere Stadt Peniche-de-Cima und die untere, Peniche-de-Baixo. Wir durchwandern beide; laufen durch schmale Gassen mit mittelalterlichem Kopfsteinpflaster und eng zusammenstehende pittoreske Häusern und genießen phantastische Ausblicke auf den unten liegenden Hafen mit Forte de Peniche und die weit draußen in der goldenen Abendsonne liegenden Ilha Berlenga. Es ist Freitag und aufgrund der tollen Strände, die zum Windsurfing einladen, ist Peniche voller Touristen. An der Ave. do Mar, gleich neben dem Bootschuppen der ISN Instituto Socorros a Naufragos, der portugiesischen Rettungsgesellschaft, finden wir noch eine Tisch in einem übervollen Lokal und essen - nicht zum letzten mal - sardinas asadas, gegrillte Sardinen.

 

Sonnabend, 28. Juni 2014, Peniche – Lisboa                                     Schnell haben wir die 40 nm von Peniche zum Cabo Raso abgesegelt, umrunden das Kap und segeln ostwärts, vorbei an dem mondänen Badeort Cascais mit seiner vornehmen Marina, in den Mündungstrichter des Rio Tejo. Die Einfahrt erfordert Aufmerksamkeit, liegen doch gleich hinter der Barra Sul - wie bei allen Flussmündungen gibt es auch hier eine Barre - die flachen Sände Cachopo do Norte und Cachopo do Sul bevor die Betonnung beginnt. Während wir noch die erste grüne Tonne suchen, kommt von hinten ein leuchtend orangenes Schiff auf. Schnell ist es, viel schneller als wir dachten. Wir drehen hart nach Steuerbord und der Containerfeeder ‚OPDR-Cadiz‘ rauscht an uns vorbei. Auch wenn Limassol am Heck steht und die cyprische Flagge weht, ist es doch ein Gruß aus der Heimat. Die Segel sind eingepackt und wir motoren den Tejo aufwärts, überholen dabei einen dänischen Saugbagger mit Heimathafen Grenaa, passieren einige am Nordufer gelegene Yachthäfen, die ich mir schon im April ansehen konnte und die für die ‚Acapulco‘ zu klein sind, und entscheiden uns für die Doca de Alcantara, gleich hinter der, den Tejo überspannenden drei Kilometer langen Hängebrücke Ponte 25 de Abril, die bis zur ‚Nelkenrevolution‘ 1974 noch den Namen des Diktators Salazar trug, und wie eine kleine Golden-Gate-Bridge aussieht.

Die Doca de Alcantara ist eine große Marina in einem ehemaligen Hafenbecken, durch eine betriebsame Kaizunge gegen den Tejo geschützt und sehr stadtnah. Wenige Gehminuten entfernt, direkt unter der Tejo-Brücke, beim winzigen Yachthafen Doca de Santo Amaro, haben sich in ehemaligen Lagerhallen einige In-Restaurants und -Kneipen etabliert. Heute ist Fußballtag und wir finden auch schnell die richtige Location: Irish & Co. In jeder Ecke hängt ein Fernseher.

Wir blicken auf die TV’s, warten, die Zeit ist rum, keine deutsche Mannschaft läuft auf. Dafür spielt Brasilien gegen Irgendwen. Wieso nicht Deutschland? Die hübschen Servicegirls zucken die Schultern. Charly malträtiert sein I-Phone und findet heraus, dass Deutschland und Brasilien zeitgleich spielen. Natürlich interessiert man sich hier nur dafür, wie die Mannschaft ihrer ehemaligen Kolonie spielt. Wir trinken Kilkenny und sehen mit Gelassenheit, wie Brasilien gewinnt und die Portugiesen sich wie toll gebärden. Draußen spielt eine Combo und sehr leicht bekleidete Mädchen tanzen ausgelassen Samba. Karneval am Rio Tejo. Deutschland hat auch gewonnen. Wir bleiben ruhig.

 

Sontag, 29. Juni 2014, Lisboa                                                    Dicht am Hafen hält der Bus, der uns zum beeindruckenden Praca do Commercio bringt, dem Ausgangspunkt wohl jeder Stadtbesichtigung. Wir umrunden das Reiterstandbild Königs Jose I., der zur Zeit des verheerenden Erdbebens 1755 herrschte, das große Teile Lissabons, Portugals und auch seinen Palast zerstörte. Wir schlendern durch den Triumpfbogen an der Nordseite des Commercio, dann die schöne Rua Augusta hoch, biegen ab und besteigen den filigranen eisernen Fahrstuhl Elavador de Santa Justa der uns von der Baixa zum hochgelegenen Stadtteil Bairro Alto bringt, um im herrlichen Sonnenschein einen grandiosen Ausblick über Lissabon und den Tejo zu genießen. Wir kommen zum Praca de Dom Pedro IV, den alle nur Rossio nennen, mit seinen beiden Springbrunnen und dem wellenförmigen Pflaster aus weißem Sandstein und blauen Basalt, wo ich das Gefühl habe, es laufen wirklich Wellen über den schaukelnden Platz. Wir kommen am Bahnhof Estacia Rossio vorbei, mit seiner phantastischen Fassade im manuelinischen Stil, und finden die Tourist Information am Praca do Restauratores, wo man uns erklärt wo die berühmte Carreira 28 dos Electrico abfährt.

 

Am Praca Martim Monez stehen die Touristen Schlange, aber die ‚28‘ fährt häufig und zusammen mit einer fröhlichen Damengruppe aus dem Rheinland, die ganz fasziniert davon ist, dass wir nicht mit dem Flieger sondern mit einer Segelyacht in Lissabon sind, besteigen wir einen der kleinen Uralt-Wägelchen. Es wird eine lustige Fahrt mit den rheinischen Frohnaturen. Erst ruckeln wir durch die Alfama, Lissabons Altstadt, mit ihren unglaublich engen Kurven und Straßen, wie die Rua das Escolas Gerais, wo sich Passanten in Hauseingänge zwängen müssen um die Electrico vorbeizulassen, dann weiter über den Commercio, durch die Baixa und Bairro Alto bis zur Endstation an der Basilica da Estrela.

Kein sehr langer Fußweg durch die Av. Infante Santo führt uns direkt runter zum Doca Alcantara. Aber zwischendurch kehren wir in ein kleines Lokal ein und probieren das portugiesische Nationalgericht Bacalhau, Stockfisch, gesalzener und luftgetrockneter Kabeljau. Überraschend schmackhaft.

 

Montag, 30. Juni 2014, Lisboa                                                                  Wir fahren wieder zum Commercio, laufen durch die Baixa hoch zum Rossio, weiter zum Praca da Figueira und schwingen uns auf das Oberdeck, eines der vielen dort wartenden Hop-On-Hop-Off-Busse. Bei strahlendem Sonnenschein

geht es kreuz und quer durch Lissabon, Kopfhörer sagen uns was es alles zu sehen gibt, und beim berühmten Mosteiro dos Jerominos steigen wir aus. Wir bewundern die prächtigen Portale und Fassaden dieses Klosters, leider können wir es nicht besichtigen, und gehen durch den hübsch angelegten Park Praca do Imperio runter zum Tejo, zum Torre de Belem, wo Vasco da Gama am 8. Juli 1497 mit der Karavelle ‚Sao Gabriel‘ ablegte um Indien zu entdecken und auch andere Seefahrer ihre Entdeckungsfahrten begannen. Ein Stück weiter kommen wir zum modernen Padrao dos Descombrimentos (Denkmal der Entdeckungen), das 1960 zu Ehren von Prinz Heinrich dem Seefahrer erbaut wurde. Ein Fahrstuhl bringt uns auf die Aussichtsplattform und direkt unter uns auf dem Tejo - man glaubt es kaum - fährt ein HADAG-Dampfer vorbei, zwar nicht in grün-weiß, sondern in Orange, aber unverkennbar einer von der Elbe.

Abends geht es in die Alfama, Fado hören. In den exklusiven, teuer aussehenden Clube Fado in der Rua de S. Jao de Praca läßt man uns nicht rein. Tischreservierung! Wir gehen und suchen weiter in dem Gassengewirr. Bunte Girlanden überspannen die Straßen. Die Bewohner sitzen vor ihren Häusern. Überall werden Sardinen auf Holzkohle gegrillt; die Luft ist voller Rauch. Wir hören von irgendwoher Musik und Gesang, Fado. Ein winziges, einfaches Lokal hat auf einem kleinen kopfsteingepflasterten Platz Tische herausgestellt. Zwei Gitarristen, einer spielt die spezielle, portugiesische, 12-saitige Gitarre und ein anderer die klassische, begleiten die Fadista, so nennt man die Sänger, Henriqueta Babtista Paixao und Pedro Miguel d‘Almeida. Fado heißt Schicksal und hat Seele, sagt man. Gefühlvoll, melancholisch sind Spiel und Gesang. Saudade ist herauszuhören, dieses Wort, das mit Traurigkeit, Sehnsucht, Weltschmerz nur annähernd zu übersetzen ist.

Es läuft auch ein Fernseher, ohne Ton. Heute ist Fußballtag! Deutschland spielt gegen irgendwen. Charly ist ungehalten, wenn die Sänger vorm Fernseher stehen, aber zum Armehochreißen und „Alter Schwede“ sagen ist trotzdem Gelegenheit. Deutschland gewinnt. Fado, Fußball, Wein und sardinas asada, es war ein schöner Abend.

 

Dienstag, 1. Juli 2014, Lisboa – Sines                                                    Bei trübem Wetterlaufen wiraus. 6 Meilen sind es bis zur Ansteuerung und dann 51 Meilen bis Sines, ein ‚strategischer Hafen‘ an der langen ungeschützten Küste, liegt er doch ziemlich genau zwischen dem Tejo und Cabo de Sao Vicente. Josef und ich haben angeboten unseren speziellen Thunfischsalat a la ‚Bottle Imp‘ zuzubereiten, was sich aber bei der vorhandenen Dünung, als nicht so einfach herausstellt. Josef schnippelt und ich bereite das Dressing vor. Und, wie immer bei solchen Vorhaben (Murphy’s Gesetz), kommt eine ‚Monsterwelle‘, haut uns fast von den Füßen und lässt Schneidbrett und Geschnippeltes durch die Gegend fliegen. Meine Salatschüssel kann ich retten, aber nicht die Olivenölflasche, die ihren Inhalt überall hin in die Pantry ergießt. Wir sammeln alles wieder auf, auch vom Fußboden - merkt ja keiner- und das Öldesaster wird durch viele Rollen ‚Zewa‘ beseitigt.

 

Sines hat nur eine kleine Marina und - nach zwei Tagen Lissabon - verzichten wir auf Landgang und Besuch des bronzenen Dom Vasco da Gama, der, hochaufgerichtet auf seinem Sockel stehend, seine Geburtsstadt bewacht. Wir gehen vor Anker.

 

Mittwoch,  2. Juli 2014, Sines – Lagos                                                   Nach Karte sindes 57 Meilen bis Cabo de Sao Vicente und von dort links um die Ecke, weitere 20 nm bis Lagos. Abgesehen von der Biscaya, unserer längster Törn. Mein Sohn hat mir eine SMS geschickt, ab nachmittags um 4 soll der Wind auf W drehen und kräftig aufbrisen. Bisher haben wir guten Schiebewind aus NW. Die Küste ist felsig und schroff. Je weiter wir uns dem Cabo de Sao Vicente nähern, desto höher und dramatischer wird die Steilküste. Als ich vor wenigen Wochen oben auf dem Kap bei dem roten Leuchtturm stand und auf den tiefblauen Ozean blickte, dachte ich noch: hier möchtest du mal segeln. Irgendwohin, ganz weit weg! An diesem Kap‚ ein Muss‘ für alle Touristen, steht ein Wurstwagen mit dem Hinweis (auf Deutsch) ‚Letzte Currywurst vor New York‘. Es ist der südwestlichste Punkt Europas.

Wir umrunden das zerklüftete Vorgebirge von Cabo de Sao Vicente und sehen Sagres, wo Heinrich der Seefahrer, der nie zu See gefahren ist, eine Seefahrerschule gegründet haben soll. Historiker zweifeln daran, aber die riesige Windrose mit einem Durchmesser von 43 m dort oben, soll ein Überbleibsel dieser Seefahrerschule sein.

Wir gehen über Stag, unser Kurs ist jetzt ENE. An Backbord haben wir die Küste der Algarve, deren Name vom arabischen Al-Gharb stammt und ‚Der Westen‘ bedeutet. Pünktlich um vier dreht der  Wind auf W und nimmt zu. Wir laufen auf das Kap Ponta da Piedade zu. Die ‚Acapulco‘ kommt richtig in Fahrt. Ab Piedade müssen wir noch höher an den Wind, fast N, und der Wind wird stürmisch. Die ‚Acapulco‘ schiebt Lage, Gischt kommt über, wir werden nass, keiner hat Ölzeug an. Eine völlig ungewohnte Situation. Einen kurzen Augenblick überlegt Charly im Schutz der hohen Luvküste vor Anker zu gehen. Die Einfahrt nach Lagos ist eng, ein langer Schlauch, das Flüsschen Bensafrim. Aber ich kenne den Hafen gut und sehe kein Problem, trotz Wind. In Lee vor der Fußgängerklappbrücke ist ein ‚‘arrival pontoon‘ an dem wir, trotz heftiger Böen, sicher festmachen.

 

Donnerstag, 3. Juli 2104, Lagos                                                                Wir klarieren ein, lassen uns einen Liegeplatz zuweisen, die Fußgängerbrücke öffnet sich und wir verholen. Mal wieder ein zu kleiner Fingersteg für die große ‚Acapulco‘. Viele portugiesische Gastlandflaggen sind zu sehen; englische, skandinavische und auch einige deutsche Yachten liegen im Hafen.

In Lagos bin ich Tourgide, habe ich doch hier im Hotel Vila Gale - 10 Gehminuten an der Meia Praia entlang - eine Woche Erholungsurlaub von unserer anstrengenden Bildungsreise gemacht. Lagos ist ein hübsches Städtchen mit viel Geschichte. Lagos war unter Dom Henrique o Navegador (Heinrich dem Seefahrer) im 15.Jh. Ausgangspunkt zahlreicher Entdeckungsreisen nach Afrika. So umsegelte Gil Eanes 1433 als erster das Cabo Bojador an der nordafrikanischen Westküste, das damals als das Ende der Welt galt und auch Kap ohne Wiederkehr genannt wurde. Wir bummeln durch die sich windenden engen Gassen der historischen Altstadt und kommen zum Praca da Republica, wo der erste Sklavenmarkt Portugals stattfand und zum Praca do Infante, wo ein bronzener Prinz Heinrich auf die See guckt. Weiter auf der breiten Promenade Avenida dos Descobrimentos (Allee der Entdeckungen) entlang, kommen wir am Giles-Eanes-Denkmal vorbei, zur Festung Forte da Ponta da Bandeira, die die Hafenzufahrt bewacht und Teil der gut erhaltenen Stadtmauer ist, die fast ganz Lagos umschließt.

Gegenüber auf der anderen Uferseite des Bensafrim liegt ein Nachbau der typischen Karavellen, die im 15. Jh. vom kleinen Fischerboot zum hochseefähigen Standardschiff der portugiesischen Entdecker entwickelt wurde. Durch die an - meistens - zwei Masten geriggten Lateinersegel waren die 20 bis 25 m langen Karavellen in der Lage gegen den Wind zu segeln, was die langen Entdeckungsfahrten und, vor allem auch die Rückkehr, die westafrikanische Küste nordwärts, erst möglich machten. Wenn ich hier so stehe und auf kleine Karavelle schaue, wächst die Hochachtung vor dem was Portugal, dieses damals wie heute kleine Land, und seine Seefahrer geleistet hat. Auch Bartolomeu Diaz, der 1478/1488 als erster die Südspitze Afrikas umsegelte, soll von Lagos gestartet

 

sein. Da seine Fahrt ein Geheimauftrag war, ist nicht belegt von wo er losfuhr. Ein Nachbau seiner Karavelle liegt in einem Museum in Mossel Bay/Süd Afrika. Ein erstaunlich kleines Schiff.

Ich schlage vor einen Spaziergang nach Ponta da Piedade zu machen und weiter nach Praia do Porto de Mos, von dort fährt ein Bus zurück nach Lagos. Ich habe das schon mal gemacht und weiß, der Weg ist lang und mühsam. Immer oben an der hohen Steilküste entlang, an der Praia D. Ana mit ihren bizarren Felsformationen, engen Buchten und tiefen Grotten vorbei. Die Sonne steht hoch aber am Leuchtturm Piedade ist ein kleines Restaurant, so kann ich der ermatteten Crew ein kühles Bier versprechen. Erfrischt geht es weiter. „Wir haben erst die Hälfte des Weges hinter uns gebracht, nach Porto de Mos ist noch mal so weit“, sage ich. Bajo hört das, sagt „Alter Schwede“, setzt sich in eine Kinderbimmelbahn und verschwindet Richtung Lagos. Der Weg, mehr ein Trampelpfad, immer direkt an der Kante, ist nicht einfach und auch nicht ungefährlich. Wir werden belohnt durch spektakuläre Ausblicke auf Strände und den weiten Ozean.

Abends gehen wir ins ‚Adega de Marina‘, ein Restaurant, groß wie eine Schulturnhalle, laut wie im Hofbräuhaus und voll besetzt. Geschätzt, 75% Touristen, mehrheitlich Engländer. Wir sind im Süden, Touristenland. Bekommen aber in der ‚Kantine‘ gutes, portugiesisches Essen.

 

Freitag, 4. Juli 2014, Lagos                                                                         Bajo hat in Lagos Freunde, die hier leben. Wir sind eingeladen zum Baden im Swimmingpool, zum Abendessen und zum anschließenden Fußballgucken. Es wird ein schöner Tag. Relaxen am Swimmingpool, in der Sonne liegen, baden - wir haben noch kein einziges mal gebadet auf dieser Reise - und hausgemachte portugiesische Küche genießen! Dann gewinnt auch noch Deutschland. Charly reißt die Arme hoch, Bajo sagt „Alter Schwede“ und wir stoßen mit höllisch scharfen einheimischen Schnaps an.

 

Sonnabend, 5 Juli 2014, Lagos – Portimao                                          Wir treiben mehr als das wir segeln. Bajos Freunde sind mit an Bord für die kurze Strecke und auch Mike vom MSC, der mit Freundin in Lagos Urlaub macht. Auch für uns ist es Urlaub. Die Reise ist fast zu Ende, kein Stress mehr, kein Gedanke mehr daran, wie das Wetter wird. Unseren Flug erreichen wir sicher. Wir trinken kühle Getränke und springen ins kühle Nass. Endlich mal wieder im Atlantik baden!

In der großen Hafenbucht von Portimao gehen wir vor Anker. Voll ist es und es wird gegen Abend recht windig. Alle Yachten schwoien, kommen sich nahe und treiben wieder auseinander. Alles geht gut. Charly bringt unsere Gäste an Land. Das Beiboot wir über Bord gehievt, man steigt ein, der Außenborder springt nach einigen Anzeichen des Unwillens an und Charly verschwindet in der Menge der Ankerlieger. Und kommt nicht wieder.

Sitzt er in der nahen Strandbar und schlürft einen Sundowner? Und lässt uns hier sitzen bei profanen Bier? Nein, plötzlich kommt ein sehr großes halbstarres Schlauchboot direkt auf uns. Viele Leute an Bord; man ruft und winkt. Erst als es ganz nahe ist, sehen wir, es hat Charly im Schlepp! Der Außenborder hat den Dienst verweigert und dann ist auch noch einer der Riemen beim Rudern durchgebrochen. Was alles so passiert. Murphy’s Gesetz.

 

Sonntag, 6: Juli 2014, Portimao – Vilamoura                                     Eigentlich sollte unsere Reise in Faro enden. Aber intensives Studium der nautischen Unterlagen, vor allem des Reed’s, sagte uns, dass Faro und auch das nahe Olhao keine geeigneten Häfen für die ‚Acapulco‘ sind. Zu klein. So entscheiden wir uns für Vilamoura, nur wenige Meilen von Portimao entfernt, gleich hinter Albufeira, dem Sinnbild des Algarve-Tourismus.

Vilamoura: Touristenort, Touristenmarina, 1974 erbaut, mit 1000 Plätzen, mit allem Comfort mit und Höchstpreisen. Am ‚Reception berth‘ wird uns viel Geld abgenommen, aber die ‚Acapulco‘ wird hier auch fünf Nächte bleiben. Wir werden aussteigen und Enno kommt mit neuer Crew.

Die Marina und auch das Drumherum ist sehr gepflegt. Touristenburgen, sogar ganz hübsche, umgeben den Hafen, davor verläuft ein ‚Boulevard‘ auf dem am Abend die Damen aufgebrezelt und in langen Kleidern von einer Champagnerbar, von einem Restaurant oder Diskothek zur anderen promenieren. Ungewohnt, wenn man an sein heimisches Seglerleben denkt.

 

Montag, 7. Juli 2014, Vilamoura                                                             Wir machen einen Ausflug per Bus nach Faro; immerhin die Hauptstadt der Algarve. Das kleine Hafenbecken bestätigt unsere Entscheidung Faro nicht anzulaufen. Eine Eisenbahnbrücke, früher mal zu öffnen, verschließt die schmale Durchfahrt in den Doca de Recreio, in dem nur winzige Boote mit PS-starken Außenbordern liegen. Das Arco de Vila führt in die, von einer Wehrmauer umgebenen, kleine Alstadt. Die Kathedrale ist leider geschlossen. Josef rüttelt an der Tür, er hätte wohl gerne ein Gebet gesprochen. Dafür haben wir von hier oben einen phantastischen Ausblick auf den Parque Natural da Ria Formasa, eine riesige Lagune, die in ganz Portugal für ihren Reichtum an seltenen Vögeln bekannt ist. Nach einer kalten Sangria im Jardim Manuel Bivar geht es zurück nach Vilamoura.

 

Dienstag, 8. Juli 2014, Vilamoura                                                           Heute ist Reinschiff angesagt und Sachen packen. Morgen geht es Nachhause. Charly wacht mit Argusaugen über das Saubermachen. Deck wird geschrubbt, Salon und Kabinen gesaugt und Bettzeug gewaschen. Erst als alles fertig ist dürfen wir an Land und fallen, bewaffnet mit deutscher Flagge, in den O’shea’s Irish Pup ein; Deutschland spielt gegen Brasilien. Überall sehen wir siegessichere Portugiesen mit Fähnchen und Brasilien-Shirts. Charly trägt tapfer ein DFB-Shirt mit Aufdruck ‚Jogis 12. Mann‘ auf dem Rücken. Die deutsche Flagge halten wir anfänglich verschämt versteckt, aber nach den ersten Toren wird es ganz still im O’sheas und unsere Nationale wird geschwenkt. Wir - nicht nur Charly - haben an diesem Abend siebenmal Gelegenheit die Arme hochzureißen, „Alter Schwede“ zu sagen und einige Kilkennys zu trinken.

 

Mittwoch 9. Juli 2014, Vilamoura – Faro – Hamburg                     Eine Taxe bringt uns zum Flughafen. Wir stehen geduldig in der langen Reihe vorm Schalter von Germanwings. Warum auch immer, es geht langsam voran; es sind nicht gerade Vielflieger die hier einchecken. Eine Deutsch sprechende Dame hilft, wenn es Verständigungsprobleme gibt. Ein Paar hinter mir, Kleidung elegant-leger in blau-weiß, sicher aus Harvestehude - dass sie Hamburger sind höre ich am Dialekt - regt sich langsam, aber sicher immer mehr auf, wollen noch in den Duty-Free-Shop. „Das wird knapp, immer steht man in der falschen Reihe, Frechheit wie das hier zugeht!“, höre ich sie sagen. Lustig wird es als Charly, er ist der Erster von uns, seine Tasche auf das Band legt und sagt, dass er eine Schwimmweste dabei hat. Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Chaos, Hektik. Nichts geht mehr. Handbücher werden gewälzt, emsig telefoniert. Ob auch Patronen dabei sind, werden wir gefragt. Blöde Frage. Natürlich! Ob wir die Westen nicht auspacken und entsorgen könnten? Noch blöderer Frage. Wir weisen darauf hin, dass wir beim Buchen der Hin- und Rücktickets die Schwimmwesten deklariert hätten und dass es bei der Hinreise nach Paris keinerlei Schwierigkeiten gab.

Es wird kompliziert. Unser Gepäck wird erst einmal angenommen, gelabelt und verschwindet auf dem Band. In offizieller Begleitung dürfen wir uns auch zum Gate begeben, aber einsteigen dürfen wir nicht! Die Sache wäre noch nicht geklärt, sagt man uns. Der Warteraum leert sich, alle steigen ein, nur wir nicht. Wir sehen unsere Taschen einsam und verlassen unter dem Heck der Maschine stehen. Es wird immer noch telefoniert, mit Hamburg, Paris und Köln; man will uns nicht glauben, dass wir mit den Schwimmwesten problemlos von Hamburg nach Paris geflogen sind. Dann kommt der Bescheid, der Flugkapitän müsse entscheiden. Das darf doch nicht wahr sein! Der Flugkapitän! Wir dürfen zur Maschine gehen und nehmen neben unseren Taschen Aufstellung. Vorne am Flugzeug öffnet sich eine Tür, eine Treppe wird herangefahren und der Pilot erscheint. Ein junger Mann im weißen Pilotenhemd mit vier Goldstreifen auf den Schulterklappen: „Manfred Hartmann, ich bin der Pilot“, stellt er sich vor, „was gibt’s?“. Charly hält seine Schwimmweste hoch. „Ach eine Secumar! Die kenn ich, hab ich auch. Ich bin zwar kein Segler, ich fahre Motorboot. Für mich ist das kein Problem mit der Weste! Guten Flug“. „Guten Flug“, sagen auch wir. „Und bringen sie uns gut nach Hamburg“. „Wird gemacht“.

 

So endete eine schöne Reise auf einem tollen Schiff, mit einer tollen Crew und tollem Skipper.

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